Alles Zufall oder was??

von Gerda Laufenberg

Ich schwöre, dass ich völlig absichtslos zu dieser Geburtstagsfeier ging. Eingeladen hatte mich Dr. Lutz Lange, seines Zeichens praktizierender Rechtsanwalt mit gutgehender Kanzlei. Ich darf ihn seit drei Wochen Lutz nennen, was mich freut, denn so viele Anwälte kenne ich nicht, die mir auf freundschaftlicher Basis mal den einen oder anderen juristischen Tipp ohne Blick in die Gebührenordnung zukommen lassen. Lutz ist im selben Förderverein wie ich, macht Vorstandsarbeit wie ich – da ist man schnell beim Du.
Es sollte nur eine kleine Feier mit wenigen guten Freunden sein, aber offensichtlich hat Lutz davon so viele, dass auch bei knappster Auswahl noch 20 bis 30 zusammen kommen. Ich wurde im Garten an einen Stehtisch geschubst, an dem sich ein weiterer Jurist – im Un-Ruhestand, wie er bescheiden lächelnd betonte -, ein angehender Grafik-Designer und eine angehende Bildhauerin drängten, die alle irgendwie miteinander verwandt waren. Rein zufällig… Das hatte ich alles in wenigen Minuten herausgefunden, weil wir sehr schnell ins Gespräch kamen, vor allem weil wir ständig auf dem kleinen Tisch unser Bier verwechselten und ich trank der angehenden Bildhauerin zwei mal das Bier weg, was sie zu der Bemerkung veranlasste: “Beim nächsten Mal hau ich Sie in Stein!” Ich revanchierte mich mit der Bemerkung, dass ich sie dann aus Rache zeichnen würde. Es endete damit, dass wir eine gemeinsame Ausstellung ins Auge fassten, zu der der angehende Grafik-Designer – zufälligerweise Cousin der Bildhauerin – den Katalog gestalten will, weil er gerade eine Diplomarbeit schreibt über “Wesen und Elemente des Ausstellungskatalogs seit 1945 und sein Einfluss auf die Bewegungen am Kunstmarkt”. Wir hatten nichts dagegen, am Kunstmarkt bewegt zu werden, und dann machte uns der pensionierte Jurist auf wunderbare Ausstellungsmöglichkeiten im Oberlandesgericht aufmerksam, er kenne den Präsidenten persönlich. Rein zufällig. Seine Nichte, die angehende Bildhauerin, hätte bei der Vielzahl der Bewerber allein nur geringe Aussichten – sein Freund, der Präsident entscheide schließlich nicht allein – aber wenn wir zwei zusammen… ? Klar, machen wir. Und dann kam Klara vom Nachbartisch herüber und mit ihrem entzückenden amerikanischen Dialekt erzählte sie ganz absichtslos von ihren Fotos, die sie für Künstler und Galerien machte, bisher aber nur in der texanischen Provinz und sie hatte zufällig auch ein Buch dabei mit Fotos von Künstlern, aufpostiert vor bizarren Bildern und in bizarren te-xanischen Hüten. Ein Köln-Kunst-Buch mit Kölner KünstlerInnen … also schön und gut, sie kommt natürlich mal ins Atelier und dann zu der Ausstellung und dann sehen wir, was daraus wird. Jedenfalls habe ich ihr auch die Telefonnummer von zwei Performance-Künstlerinnen gegeben, die demnächst in der alten Feuerwache eine Sache aufziehen, was genau, wusste ich nicht mehr, irgendwas mit Watte und Federn. Zum Neugierig-Machen reichte das.

Ich sagte Lutz später, dass es doch ein glücklicher Zufall gewesen wäre, dass wir uns gerade an diesem Stehtisch so wunderbar getroffen hätten und Lutz sagte, er hätte mich auch an den Tisch eines anderen Schulfreundes schubsen können, der sei Schönheits-Chirurge – aber nächstes Jahr habe er ja wieder Geburtstag…
Ich glaube, dann gehe ich nicht hin.